3.4. Unterschiede im Verhalten von Vektor- und Matrixgrafik auf Drucker und Bildschirm

 

Nehmen wir einmal an, Sie drucken ein Dokument mit einem eingebettetem Bild (hier z.B. Blüte mit eingefügtem gelbem Schriftzug) und auch mit etwas „normalem“ Text außerhalb des Bildes


 

 

 

 


bei 600 dpi auf EXTIF pro. Ein Laie würde sich beim Betrachten des Ergebnisses auf dem Bildschirm vielleicht wundern, warum die Konturen der Buchstaben des Texts außerhalb des eingefügten Bildes unabhängig von der gewählten Auflösung immer scharf bleiben, während das eingebettete Bild bei steigender Auflösung immer unschärfer erscheint:


 

 

 

 


Der Text, den Sie gerade lesen, stellt eine sogenannte Vektorgrafik dar: Die Umrisse eines jeden Buchstabens oder Zeichens eines bestimmten Fonts (einer Schriftart) sind dem Betriebssystem in Gestallt geometrischer Objekte und Figuren wie Geraden, Kreise, Quadrate, Ellipsen usw. bekannt, etwa so:

 

Ziehe vom Startpunkt in der linken unteren Ecke eine Gerade 17 Längeneinheiten nach rechts, dann 8,3 Einheiten nach oben, von dort zeichne einen Kreisbogen von 5,1 Längeneinheiten Radius, und zwar 30° im Uhrzeigersinn, dann von dort 11 Einheiten nach rechts, usw., bis man wieder am Ausgangspunkt anlangt. Dann fülle die davon eingeschlossene Fläche mit der gewählten Farbe und auf andersfarbigem Hintergrund wird der Buchstabe sichtbar.

 

Das Alles spielt sich aber nicht in einem realen physikalischen Raum ab, sondern in einem abstrakten mathematischen Raum. Daher – und das ist für den folgenden Gedankengang entscheidend - hat die besagte Längeneinheit keine physikalische Dimension wie Meter, mm, Inch oder Meilen. Sie ist ebenfalls abstrakt, also kann ihr jedes beliebige Längenmaß zugeordnet werden, also auch das Längenmaß „Pixel“. Ein Quadrat ist immer ein Quadrat, egal ob seine Kantenlänge 5 Meter beträgt oder 5 Inch oder 5 Pixel oder 137 dots. Die Umrissschärfe bleibt davon gänzlich unberührt.

 

Beim Zeichnen oder Rendern passt die Grafikmaschine also einfach die abstrakte Längeneinheit der gewählten Auflösung in Pixeln oder dots an - die Umrissschärfe aber bleibt in jedem Fall gewahrt.

 

 

Das eingebettete Bild samt darin eingefügtem Schriftzug dagegen stellt eine sogenannte Matrixgrafik dar, d.h. das grafische Objekt „Bild“ wird repräsentiert durch eine Matrix (Tabelle) von Bildpunkten. Schematisch dargestellt etwa so:

 


 

 

 


Für jeden Bildpunkt, gekennzeichnet durch seine Lage in Zeile und Spalte innerhalb der Matrix, Tabelle oder des Bildpunkt-Rasters, gibt es also genau eine Farbinformation. Wenn man nun ein Bild, das dem Auge scharf erscheint, wenn es auf dem Bildschirm mit Auflösung 96 dpi dargestellt wird, bei höherer Auflösung, wie etwa 600 dpi  druckt, dann müssen sich notgedrungen die 96 Farbinformationen des Dokuments auf 600 Bildpunkte der Bilddatei verteilen, d.h. die Informationsdichte, also die Anzahl der Farbinformationen pro physikalischer Längen- oder Flächeneinheit, dünnt sich aus. Folge: Das Bild erscheint dem Auge unscharf, wenn man es – anstatt es bestimmungsgemäß auf einem Belichter oder Drucker darzustellen - auf einem Bildschirm mit Auflösung 96 dpi betrachtet.

 

Auf dem Belichter oder Drucker dagegen verhält sich die Sache ganz anders, denn das Gerät kann sich auf die Auflösung der Bilddatei einstellen – im Gegensatz zum Bildschirm, der mit fester Auflösung arbeitet, kann der Belichter oder Drucker also ein Inch des Bildes auch tatsächlich auf einem Inch des Films bzw. des Papiers darstellen, und nicht auf 600 / 96 = 8,33 Inch (Zoll) wie beim Bildschirm. Also tritt auf dem Film oder Papier gar keine Unschärfe auf, obwohl dieselbe Matrixgrafik in derselben Bilddatei bei Betrachtung auf dem Bildschirm unscharf erscheint (nicht ist!). Die Wahrheit liegt also auch hier wieder auf dem Papier, nicht auf dem Bildschirm.

 

Tatsächlich ist es nicht so, dass die Matrixgrafik auf dem Film oder Papier gegenüber dem Original-Dokument an Schärfe einbüsst, sondern die Vektorgrafik auf dem Film oder Papier gegenüber dem Original-Dokument an Schärfe gewinnt!